Ein längst überfälliges Angebot

AWO Bremerhaven eröffnet Beratungsstelle für Sexarbeiter*innen

Die AWO Bremerhaven hat ein Beratungsangebot für Menschen ins Leben gerufen, die in der Sexarbeit tätig sind. Namensgeberin für die im AWO Fachbereich Migration angesiedelte Beratungsstelle in der Dr.-Franz-Mertens-Straße 5 ist eine der ersten Frauenrechtlerinnen in der deutschen Geschichte und die Gründerin der AWO: Marie Juchacz.

„Noch bis vor 20 Jahren galt in Deutschland Prostitution als sittenwidrig und wurde strafrechtlich verfolgt.  Erst seit 2002 ist die Prostitution als Beruf anerkannt und haben Sexarbeiter*innen Zugang zur Kranken- und Sozialversicherung“, erinnerte AWO-Kreisvorsitzender Dr. Uwe Lissau bei der Eröffnungsfeier der Beratungsstelle vor geladenen Gästen. Trotz dieser rechtlichen Gleichstellung sei die Sexarbeit mit stark tradierten Gesellschaftsbildern konfrontiert - und doch werde ein langsames gesellschaftliches Umdenken deutlich. So werde nicht mehr von „Ausstieg“ aus der Prostitution gesprochen, sondern von einem „Umstieg“ oder einer „Neuorientierung“ - so wie es auch bei anderen Berufen formuliert wird. „Die aktuelle Realität vieler Frauen, die sich beruflich verändern möchten, doch eine andere. Im Alltag erfahren sie oft Diskriminierung und Ausgrenzung aufgrund ihres Berufes. Der Lockdown während der Corona-Pandemie hat ihre Arbeitssituation teilweise dramatisch verschlechtert“, sagte Lissau. „Die Gesellschaft ist in Hinblick auf diskriminierende Tendenzen sensibler geworden; die Gesellschaft schaut hin – deshalb freue ich mich, dass wir mit dieser Beratungsstelle ein stark sichtbares Zeichen setzen können“, ergänzte AWO-Geschäftsführer Eckart Kroon.

Uwe Lissau dankte der Senatorischen Behörde für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz der Freien Hansestadt Bremen dafür, dieses Projekt beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beantragt zu haben. Bundesweit fünf Städte haben den Zuschlag zur Etablierung eines spezifischen Beratungs- und Begleitungsangebots für Sexarbeiter*innen erhalten.

„Marie soll ein Ort sein, an dem die Menschen sich gerne aufhalten und wohlfühlen“, sagt Dr. Margaret Brugman, Fachbereichsleitung Migration bei der AWO Bremerhaven. Der Aufbau einer vertrauensvollen Basis zu jeder einzelnen Ratsuchenden ist dem Marie-Team sehr wichtig. „Bei Marie haben die Sexarbeiter*innen endlich einen Ort in Bremerhaven, wo sie ihre Anliegen und Themen platzieren können“, betont Koordinatorin Katrin Hill, die gemeinsam mit Caren Utecht die Beratungsgespräche führt. Soziale und gesundheitliche Themen finden hier ebenso Raum wie mögliche Beratungen für berufliche Neuorientierungen.

Ergänzt wird das Beratungsangebot um offene Sprechstunden und ein wöchentliches Frauencafé, welches aufgrund der Corona-Pandemie nur eingeschränkt durchgeführt werden kann. „Wir möchten möglichst viele Menschen mit unserem Angebot erreichen“, hoffen Katrin Hill und Caren Utecht. Seit Dezember verteilen die beiden regelmäßig Flyer und kleine Präsente im Bremerhavener Rotlichtviertel, um auf das neue Beratungsangebot aufmerksam zu machen: „Die positive Resonanz der Sexarbeiter*innen bestärkt uns in unserer Arbeit und zeigt uns, dass dieses zielgruppenspezifische Beratungsangebot längst überfällig war.“

Im Rahmen des Bundesmodellprojekts „Unterstützung des Umstiegs aus der Prostitution“ wird das Projekt für drei Jahre vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziert.

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