Neue Lust am Lesen lesen

Projekt Aufbruch bietet Hilfe für funktionale Analphabeten

Unser Alltag ist gefüllt mit Lesen und Schreiben: Wir lesen die Zeitung, unsere E-Mails und Messenger-Nachrichten, Wegweiser und Hinweistafeln, Schilder mit Sonderangeboten in unserem Lebensmittelmarkt und unsere Post; wir schreiben digitale Nachrichten, füllen Formulare aus und leisten unsere Unterschrift unter Verträge, Dokumente und Bestellungen. Was den meisten Menschen ganz selbstverständlich erscheint, ist jedoch für viele ein sehr belastendes Problem: Laut einer LEO-Studie aus dem Jahr 2018 können 6,2 Millionen Menschen in Deutschland nicht ausreichend lesen und schreiben – davon leben etwa 9.000 in Bremerhaven. Und viele davon profitieren vom Projekt „Aufbruch“. Beteiligt sind das Arbeitsförderungs-Zentrum im Lande Bremen GmbH (afz) als Projektträger in Kooperation mit der Arbeiterwohlfahrt Sozialdienste GmbH und dem Pädagogischen Zentrum e.V. im Rahmen der neuen AlphaDekade gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Und weil unsere Gesellschaft dieses Thema weitgehend tabuisiert, ist viel Sensibilität im Umgang mit der Zielgruppe erforderlich. „Viele Betroffene haben Schwierigkeiten, offen damit umzugehen und haben im Laufe ihres Lebens andere Wege gefunden, sich ohne Schriftsprache zu behelfen“, sagt Projektleiterin Manuela von Müller (afz). Klassische Alphabetisierungskurse entsprächen in der Regel nicht ihrer Lebensrealität.

Im Familienzentrum Louise-Schröder-Straße gibt es deshalb einen Lern- und Bewegungstreff unter Leitung von Ingrid Zahn und Ute Stegemann. Vor der Corona-Zeit (und ganz sicher auch wieder danach) trafen sich dienstags von 13 bis 15 Uhr und mittwochs von 9 bis 11 Uhr kleine Gruppen, um gemeinsam zu lernen. „Von jung bis alt, Männer und Frauen, mit und ohne Schulabschluss – jeder, der zu uns kommt, bringt seine eigene Geschichte mit“, berichtet Ingrid Zahn. „Was sie vereint“, sagt Ute Stegemann, „ist die Motivation, sich in Grundbildung, insbesondere im Lesen und Schreiben zu verbessern.“

Weil die Fachkräfte sehr individuell auf die Bedürfnisse jedes Teilnehmenden eingehen, steht zu Anfang ein ausführliches Beratungsgespräch – zum Kennenlernen und um eine Einschätzung für den aktuellen Lernstand zu erlangen. Es müssen auch nicht gleich Berge versetzt werden – vielmehr geht es darum, erreichbare Kleinziele festzulegen. Auch in der Wahl der Arbeitsmaterialien ist die Mitarbeit der Teilnehmenden gefragt: „Manche bevorzugen Papier und Stift, andere lernen lieber mit einem PC-Programm oder mit einer App, die speziell zum einfachen Einstieg ins Lesen und Schreiben konzipiert wurde“, betont Doris Muschkeit aus dem Fachbereich Arbeit und Beschäftigung der AWO. Im Mittelpunkt stehen Teilhabe und Mitbestimmung: „Schließlich haben wir es mit erwachsenen Menschen zu tun, die bereits viele Herausforderungen in ihrem Leben gemeistert haben.“

„Bei uns ist jeder willkommen zum gemeinsamen Lernen, egal auf welchem Bildungslevel er oder sie sich befindet. Es gehe darum, Gleichgesinnte zu treffen, sich auszutauschen, positive Lernerfahrungen zu machen und wieder Freude am Lernen zu entwickeln“, heißt es.

 

Standorte und Anfangszeiten in Bremerhaven

(bitte beachten Sie, dass die Angebote während der Corona-Einschränkungen nur eingeschränkt stattfinden können):

 

Lern- und Bewegungstreff:
Familienzentrum Louise-Schroeder-Straße
Louise-Schroeder-Straße, dienstags 13 bis15 Uhr, mittwochs 9 bis 11 Uhr

Lerncafé die theo:
Lutherstr. 7, mittwochs 14 bis 16 Uhr

 

Lerncafé im Dienstleistungszentrum (DLZ) Grünhöfe
Auf der Bult 5, montags 14 bis 16 Uhr

 

Koch-Lerntreff (in Absprache mit den Teilnehmenden)
Familienzentrum
Vieländer Weg 166

 

Ansprechpartner*innen bei der AWO:

Doris Muschkeit 0471 30930218
Ingrid Zahn 0471 9585440
Ute Stegemann 0471 30930213

 

Im Bild: Das Team vom Projekt Aufbruch (von links): Nora Kelm, Rotraud Ess, Mareike Breuer, Ingrid Zahn, Dr. Christian Weikusat, Ute Stegemann und Manuela von Müller.

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